Vom Banker zum Karatemeister
Pascal Egger führt eine Karateschule in Luzern und hat kürzlich einen grossen Meilenstein erreicht.
Aus den Lautsprechern dröhnen animierende Beats, sekundenweise durchbohrt von den Kampfschreien der kleinen Gruppe verschwitzter Jugendlicher. Leicht abseits steht Pascal Egger, der die Gruppe mit wachsamem Blick beobachtet und unterstützt. Hier sind Karate-Kids am Werk. Doch nicht irgendwelche, denn diese Kadergruppe von Jungen und Mädchen, vorwiegend im Teenageralter, trainiert an der Shukokai-Karateschule in Luzern für die Karate-WM in Kapstadt. Zusammen mit den drei anderen Shukokai-Karateschulen in der Schweiz werden sie im Juli das Land repräsentieren.
Sensei Pascal Egger hat ein scharfes Auge für das Potenzial seiner Schüler und Schülerinnen. Seit seinem elften Lebensjahr trainiert er bereits Karate, zunächst im Shotokan-Stil, wenig später wechselte er zu Shukokai, fasziniert von der Dynamik des Stils. Bereits zwei Jahre danach wurde er Vize-Europameister bei den Junioren und kämpfte in der A-Mannschaft der Männer. Seither hat Egger an zahlreichen Welt- und Europameisterschaften Erfolge gefeiert, zuletzt bei der Heim-EM im vergangenen Jahr, wo er sowohl Gold wie Bronze gewann.
Der Jüngste in der Schweiz
Seinen sechsten Dan – also jene Karatestufe, in der seine Technik vollkommen wird – erreichte er kürzlich im März. Er ist schweizweit der Jüngste im Shukokai-Stil, der den sechsten Dan geschafft hat. Eggers Geschichte liest sich wie die perfekte Story eines Aussteigers. Denn bevor er vor 14 Jahren mit seiner Partnerin Antonella die Karateschule gründete, arbeiteten beide im Kreditkartenbereich bei der Crédit Suisse. «Bescheidenheit und Authentizität sind im Karatesport sehr wichtig,» sagt Egger. Seine Karateschule lebt deshalb Werte und eine Ethik-Charta vor. Im Dojo (Karateschule) sind alle Menschen gleich, egal, welcher Herkunft, Religion oder politischer Richtung sie angehören. Karate hat Egger als Menschen sehr geprägt, vor allem bei der Selbstreflexion. Denn der Erwerb jedes Dan-Grades ist eine Entwicklungsphase für sich. Vom ersten bis zum sechsten Dan hat Pascal Egger rund zwanzig Jahre gebraucht. Die Dauer eines Dans bis zum nächsten wird jeweils nach der Höhe seiner Stufe berechnet. Somit braucht ein Karateka im ersten Dan, in dem er den schwarzen Gürtel erwirbt, rund zwei Jahre, bis er zum zweiten Dan aufsteigen kann. Hat er den zweiten Dan erworben, braucht er wiederum drei Jahre bis zum nächsten. So geht es weiter, bis ein Karateka mit der höchsten Meisterstufe, dem zehnten Dan, ausgezeichnet werden kann, was Jahrzehnte harten Durchhaltevermögens und Trainings voraussetzt und selten ist.
Mit dem sechsten Grad wächst die Verantwortung
Der sechste Dan zeichnet sich durch viel Wissen und Vollkommenheit der Technik und des Charakters aus. In der japanischen Karatelehre gleicht dies einem Gewicht, das der Karateka nun auf seinen Schultern trägt, bis es leichter wird. Pascal Egger ist jetzt ein Sensei, ein Meister, und trägt somit auch eine grössere Verantwortung seinen Schülern und Schülerinnen gegenüber. «Don’t tell me, show me», ist der Leitsatz vom Gründer des Shukokai-Stils, Shigeru Kimura, welchen auch Pascal Egger weiterträgt. «Ich möchte, dass unsere Schüler durch Ausdauer und Beharrlichkeit ihren Charakter stärken, dabei aber stets unsere Werte im Auge behalten.» Und mit einem Sensei wie Pascal Egger kann das junge Nationalteam zuversichtlich der WM im Juli entgegenblicken.