Luzerner Zeitung – Juli 2018

Der Geburtstagskuchen muss warten

Catarina Bieler aus Horw bereitet sich auf ihre WM-Titelverteidigung im Kimura-Shukokai-Stil in Stockholm vor. Neben ihrem Training muss sie auch beruflich eine hohe Hürde nehmen. Und sie hat einen Plan B bereit.

Der Geburtstagskuchen muss warten
Reist am 16. Juli, ihrem Geburtstag, an die Weltmeisterschaften nach Stockholm: Catarina Bieler.Bildquelle: Corinne Glanzmann

Sie ist Weltmeisterin, Europameisterin, Schweizer Meisterin. Nun macht sich die Karateka Catarina Bieler auf, den Titel auf der ganz grossen Bühne in der Kategorie Kumite U21 zu verteidigen. In Stockholm stehen die Welttitelkämpfe im Kimura-Shukokai-Stil an. «Die Goldmedaille ist mein Ziel», sagt die in Horw wohnhafte Catarina Bieler. Dank dem Gewinn des WM-Titels 2016 in Berlin gehe sie mit einem besseren Selbstwertgefühl an den Start: «Ich kenne nun die Abläufe und weiss, was auf mich zukommt. » Am 16. Juli tritt sie die Reise zur Mission Titelverteidigung an, just an ihrem 19. Geburtstag. Die Feier und der Geburtstagskuchen müssen nun halt warten.

Seit sieben Jahren betreibt sie diesen Kampfsport, sie, die vorher dem Ballett frönte. Sie schaute sich zwei Filme an, man ahnt es – genau: «Karate Kid» und «In 80 Tagen um die Welt», und fand die verschiedenen Kampfkünste «cool». Was also lag näher, als sich im Karate zu versuchen? Gesagt, getan, und so kam Catarina Bieler zu ihrer Sportart. Sie versuchte, Ballett und Karate unter einen Hut zu bringen, doch neben der Schule – sie besuchte die Kantonsschule Alpenquai in Luzern und schloss vor einem Jahr mit der Matura ab – war beides nicht mehr möglich. Rund acht Stunden Training wendet sie in der Woche für ihren Sport auf. Neben den sportspezifischen Übungseinheiten holt sie sich beim Joggen die Grundlage für ihre Ausdauer. Karate ist eine komplexe Sportart, gefordert ist unter anderem Reaktionsschnelligkeit, Gleichgewicht, Spannkraft, Ausdauer, Koordination und Kondition. Vor allem die Kimura-Shukokai- Stilrichtung sei äusserst interessant, da sie sich mit der Biomechanik des Körpers befasse. Ein grosses Augenmerk legt Catarina Bieler aber auch auf den mentalen Bereich. Das Durchdenken eines Wettkampfes, von Punkt zu Punkt, bis zum Ziel – und dieses heisst Podest. Dazu hilft ihr auch ein spezieller Sound: Electro-Musik, ohne Textpassagen. «Und nein», lachte sie, «in der Freizeit höre ich diesen Musikstil nicht.»

An der EM in Luzern ging sie leer aus

Wie wichtig diese Kopfarbeit ist, weiss Catarina Bieler spätestens seit 2015. In Luzern war’s, wo sie ihr erstes internationales Turnier bestritt, nicht irgendeinen Wettkampf, sondern die Europameisterschaften standen an. Obwohl sie von ihrem Lehrer Pascal Egger bestens auf diesen Anlass vorbereitet wurde, ging sie leer aus. «Ich war irgendwie nicht bereit, und wusste nicht, wie ich diesen Wettkampf mental angehen soll», blickt sie zurück. Sie wollte das Beste vor dem Heimpublikum herausholen, hatte intensiv trainiert. Enttäuschend sei diese EM für sie gewesen. Entmutigen liess sie sich nicht, denn schon ein Jahr später wurde sie in Berlin zur Weltmeisterin gekrönt. «Es war schon ein sehr schönes Gefühl, zuoberst auf dem Podest zu stehen », blickt sie zurück. «Diese Goldmedaille macht mich stolz, weil ich aus eigener Kraft etwas erreicht habe. Es dauerte aber eine geraume Zeit, bis ich diesen Triumph richtig realisierte.» Ihre Eltern Kerstin und Dieter und ihre Schwester Victoria sassen damals im Publikum und erlebten diese Glücksmomente ihrer Tochter und Schwester hautnah mit. «Für ihre Unterstützung bin ich äusserst dankbar, sonst wäre alles sehr stressig.»

Karate sei eine Lebensschule, charakterisiert sie ihren Sport. «Ich habe ein grösseres Selbstbewusstsein bekommen und die Sicherheit, mich im Notfall selber zu verteidigen.» Karate heisst aber auch, Mitmenschen mit Fairness und Respekt zu begegnen, auch ausserhalb der Wettkampfmatte, gepaart mit viel innerer Ruhe und Zufriedenheit. Und das strahlt Catarina Bieler aus.

Die Hürde Numerus clausus bestehen

Nicht nur sportlich weiss sie, wo es lang gehen soll. Auch ihre berufliche Karriere plant sie mit Sorgfalt. Nach der Matura 2017 legte sie ein Zwischenjahr ein und absolvierte ein Praktikum im Kantonsspital Luzern. In den letzten Wochen bereitete sie sich intensiv auf den Numerus-clausus- Eignungstest vor, um im Herbst ein Medizinstudium zu beginnen. Ob sie diese Hürde schafft, wird erst im August bekannt. Falls nicht, käme Plan B zum Tragen: das Studium der interdisziplinären Naturwissenschaften an der ETH Zürich. Und zum Schluss noch dies: Das japanische Wort Karate heisst übersetzt «leere Hand». Das bedeutet aber keineswegs, dass Catarina Bieler nicht mit vollen Händen aus Stockholm zurückkehren kann. Mit Blumen und Medaille.

Autorin: Theres Bühlmann